über meinen Therapieansatz

Das Zeichen des 29. Hexagramms aus dem iGing: Kan, das Abgründige

So wie Wind Wasser bewegt, bewegt Atem unseren Körper. Das gleiche Prinzip finden wir in der chinesischen Medizin wieder, wo Qi Blut bewegt. Schließlich sind auch wir aus dem Wasser gekommen und bestehen aus Wasser. Und das Geheimnis des Wassers ist, dass es immer um einen Weg zu fließen weiß. Somit setzen wir auf die Kraft des Wassers, das manche von uns als wai, shui und mizu kennen.

Was ist das Meridiansystem?

Ansätze des Meridiansystems scheinen in vielen ursprünglichen Medizinsystemen bekannt zu sein, obwohl es wohl durch die alte chinesische Medizin global am meisten Popularität erlangte.

Die heutige chinesische Medizin, die in den 50ern als “Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)” neu auferlegt worden ist, nutzt und lehrt das Meridiansystem bis heute, obwohl die aktive und lebendige Auseinandersetzung durch Praktizierende nicht notwendigerweise gegeben ist.

Die Meridianlehre beschreibt den Fluss der Lebenskraft und Körperflüssigkeiten in den entsprechenden Yin und Yang Leitbahnen. Sie verweben Organe, Faszien, Sehnen, Muskeln und folglich, unseren ganzen Körper. Über die Jahrhunderte hat sich das Konzept darüber, was Meridiane eigentlich sind, stetig geändert. Mal wollte man es praktischer, mal mystischer verstehen. Heutzutage werden Meridiane manchmal als reine “Energieleitbahnen” gesehen, die mehr mystisch als praktisch sind. Dieser Eindruck entsteht vielleicht gerade deshalb, weil in unserer faktenbasierten Welt, die gerne in sichtbaren, skalierbaren Konzepten arbeitet, wenig Platz für Mechanismen bleibt, die sich aufgrund ihrer Lebendigkeit nicht vollständig abbilden lassen.

So ist es aber nicht nur mit dem Meridiansystem, sondern eigentlich ganz allgemein mit Krankheit und Wohlbefinden. Viele Faktoren spielen in unserer Gesundheit mit. Trotz immer mikroskopischer werdender diagnostischer Mittel und genetischer Magie haben wir weder Krankheit, Existenz, Geburt noch Tod vollständig erschlossen. Viele Menschen wissen nicht, warum sie glücklich oder unglücklich sind, obwohl sie “alles richtig” machen. Unsere Existenz ist durchdrungen von Widersprüchen. Wohlbefinden ist manchmal so praktisch wie frische Bettwäsche und weniger Social Media. Krankheit ist manchmal so mystisch wie ein jahrzehntelanger Schmerz, der sich jeglicher schulmedizinischer Diagnostik entzieht. Wir sind paradoxe Wesen. Das Meridiansystem ist genauso komplex und paradox wie wir.

In unseren Körper eingewoben

Der wesentliche Punkt allerdings liegt darin, dass das Meridiansystem diese Komplexität, die Wohlbefinden und Krankheit ausmacht, auf einzigartige Weise in körperlich-geistige Zusammenhänge bringt. Während es zunächst vielleicht verrückt erscheint, dass Schulterschmerz mit Verdauungsbeschwerden zu tun haben können, liefert das Meridiansystem genaueste Beobachtungen darüber, warum das so ist. Auf diese Art und Weise besteht eine präzise Klarheit darüber, wie unser Körper in einem dynamischen Gleichgewicht gehalten wird. Genau diese Klarheit ist es, die das Meridiansystem in seiner Anwendung sehr praktisch macht. Statt sich zuerst in einem Detail zu verlaufen, fragt das Meridiansystem danach, wo das Ungleichgewicht zustande gekommen ist, damit wir jetzt ein isoliertes Symptom beobachten.

Und: das Meridiansystem ist immer da. Die Leitbahnen sind in unseren Körper eingewoben. Sie bleiben in uns bestehen, auch, wenn wir einige unserer Organe, mit denen sie verbunden sind, im Laufe unseres Lebens vielleicht an die eine oder andere Operation verlieren. Unser Körper vergisst nichts. Die Meridiane sind eine Schaltfläche, die dieses Gedächtnis aktivieren können.

Dr. Wang und angewandte Meridiantherapie

Dr. Wang Ju-Yi, ein chinesischer Arzt, der 2017 verstarb, hatte einen erheblichen Einfluss auf die Anwendbarkeit der alten chinesischen Meridianlehre zu seiner Zeit. Sein Buch: Die Anwendung der chinesischen Meridianlehre in der Praxis ist mittlerweile für viele Therapeut*innen weltweit zu einem Standard geworden. Sein Ansatz integrierte Meridiantherapie in den klinischen Alltag chinesischer Krankenhäuser. Darüber hinaus beschäftigen sich einige seiner Schüler*innen mit dem Potential der Meridiantherapie in unterschiedlichen klinischen Spezialgebieten auf der Welt.

Während ich selbst Dr. Wang leider nie getroffen habe, profitiere ich direkt von der Dokumentation und Übersetzung seiner Vorlesungen von Jason Robertson. Auch Jonathan Chang (der in Peking eine Praxis betreibt) setzt sich unermüdlich für die Zugänglichkeit eines Wissens ein, das es uns jetzt ermöglicht, traditionelle chinesische Lehren auf zeitgenössische Gesundheitsprobleme anzuwenden.

Für Dr. Wang war die chinesische Medizin und Meridianlehre ein lebendiges System, mit dem alle Praktizierenden in einem Dialog stehen. Auf diese Art ist es möglich, das System wachsen zu lassen. Die Intelligenz der in uns verankerten Leitbahnen weist uns immer wieder neue Wege auf, wie wir auch in Zukunft mit Krankheiten umgehen können. So entwickelte Amos Ziv auf dieser Basis eine Technik namens MeridianWave, die vor allem im Bereich von kardiovaskulären Beschwerden in verschiedenen Kliniken Israels Anwendung findet. Auch in der Behandlung von Long-Covid und unerwünschten Impfnebenwirkungen zeigte diese Technik schon früh Erfolge. In meiner Erfahrung ist Ziv’s Ansatz vor allem für Patient*innen mit ungelösten körperlichen Traumata und chronischen Schmerzen im Bewegungsapparat ein potenter Weg, Symptome zu lindern.

Ein weiterer Ort, an dem Meridiantherapie sehr lebendig in Diagnose- und Behandlungsprozesse mit eingebunden wird, ist Japan. Über die Jahre haben japanische Meister eigene Schulen japanischer Meridiantherapie entwickelt und kultiviert. Der japanische Ansatz ist reduzierter und minimalistischer. Das sehr detaillierte Behandlungsprotokoll, das die meisten japanischen Praktizierenden verwenden, wird der Puls nach jedem Schritt überprüft. Diese Hingabe und Aufmerksamkeit hat etwas sehr heilendes und nährendes an sich. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass ich die Gelegenheit habe, wiederholt vom japanischen Meister Goro Hasegawa zu lernen, der mein Verständnis von nicht-invasiver Meridiantherapie revolutioniert hat.

Im Prinzip des Ursprungs

Das Prinzip des Wassers ist in der chinesischen Medizin in den Nieren repräsentiert. Die Nieren sind die ersten Organe, die wir entwickeln. Zusammen mit dem “himmlischen Funken”, formen Feuer und Wasser die Grundlage für menschliches Leben. Deswegen steht das Wasser auch für Fruchtbarkeit sowie Familien-und Ahnenlinien. Wenn wir den Strom von Generation zu Generation wie einen Fluss kultivieren, nähren und ihn rein halten, sind wir in der Lage, vererbte Traumata zu klären und den Segen, nicht die Flüche, unserer Vorfahren zu empfangen. Das macht pränatale Arbeit zu einem wichtigen Bestandteil ganzheitlicher Medizin. In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem Ruthild Schulze hervorheben. Sie hat im deutschsprachigen Raum im Wesentlichen zum Verständnis und zur Behandlung von Fruchtbarkeit, Pädiatrie und pränataler Arbeit beigetragen und vereinte dabei das alte chinesische Wissen mit westlichen Therapieansätzen. Für alle, die pränatale Körperarbeit interessiert, kann ich an dieser Stelle Franz Renggli sehr empfehlen, der mich mit seiner Arbeit sehr berührt hat.

Und zu guter letzt vergeht keine Sitzung ohne die Prinzipien von Atem und Aloha, die ich von meinem Hawaiianischen Lehrer Harry Uhane Jim lerne. Die Art, wie Körperarbeit und Atem in der Hawaiianischen Heilarbeit zusammenfließen, vor allem in der speziellen Technik des Knochenwaschens, die Harry unterrichtet, macht die Transformation von einem Zustand der Spannung in einen Zustand der Leichtigkeit für Patient*innen erfahrbar. Manchmal unterrichtet Harry Onlinekurse, bei denen ich assistiere. Mehr darüber kannst Du hier erfahren.

Danke an alle meine Lehrer, Mentorinnen, Kolleginnen, Freundschaften und Patient*innen aus der Vergangenheit und Jetzt. Für euer Vertrauen werde ich euch ewig dankbar sein!


über mich


Deutscher Pass, chinesische Knochen. Meine Familie hatte schon immer eine starke Verbindung zur chinesischen Medizin, obwohl ich erst langsam anfange, mich in diesem Erbe zu sehen. Mein Großvater war ein „Barfußarzt“ und erfahrener Kräuterheiler. Er liebte exzentrische Heilmethoden. Mein Vater ist Arzt und Apotheker. Er verfügt über eine starke Nadeltechnik, die zugleich brillant ist und höllisch schmerzt. Meine Urgroßmutter war das Orakel ihres Dorfes und nutzte das YiJing, das chinesische Buch der Wandlungen, um die Anliegen der Dorfbewohner zu unterstützen. Auch Urgroßvater verstand Prinzipien der chinesischen Medizin, verlor jedoch später alles an seine Opiumsucht.

Wie mein Großvater komme ich aus dem kreativen Bereich. Ich habe Kulturwissenschaft, Kunst-/Bildgeschichte, Theater, später Shakespeare & Creativity studiert (ja, das gibt es als Studienfach). Ausgebildet in hawaiianischer Körperarbeit, Lomi Lomi. Seit 2022 sind Pflanzen und Bäume Teil meiner Praxis, nicht zuletzt, weil ich bei Wolf Dieter Storl eine Ausbildung in Paläomedizin und Ethnobotanik absolviert habe. Ich befinde mich im letzten Ausbildungsjahr bei Shou Zhong in Berlin und erwerbe dort ein Diplom in Akupunktur. Seit 2023 bin ich Teil des Teams des TCM-Kongresses Rothenburg.